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Pures Gift: Micromanagement

Ja, es gab und es wird auch wieder Momente geben, da zweifelt ein Vorgesetzter und verliert das Vertrauen in einen oder zwei Mitarbeitenden. Schlechte Chefs verfahren dann mit dem Gießkannenprinzip nach dem Motto, wenn einer immer wieder denselben Fehler macht, bestrafe ich alle. Beispiel aus unserer Praxis zurzeit: Arbeitszeitbetrug beim mobilen Arbeiten. Blöd, wenn der angeblich über einem Konzept brütende Mitarbeiter just zu der Zeit auf dem Golfplatz spielt, wenn seine Chefin ein Geschäftsessen im Clublokal hat. Spontane Reaktion: Sie schrieb an Verteiler “alle” - Homeoffice wird es ab nächsten Monat nicht mehr geben. Glücklicherweise schickte sie die Mail nicht raus (ihre Coach hatte ihr geraten, emotionale Mails erst Mal liegen zu lassen).

Der zweite Gedanke war, mit der IT reden, wie sie die Zeiten, an denen jemand am Rechner sitzt und auch etwas arbeitet, tracken kann. Auch das hat sie nicht umgesetzt. Sie war verletzt, weil ihr Vertrauen missbraucht wurde. Aber auch reflektiert und clever genug, in ihrem berechtigten Ärger nicht ins Micromanagement und damit der totalen Kontrolle zu kommen. Ich bin überzeugt, das hätte zur Folge gehabt, dass einige Mitarbeitende an Kündigung gedacht hätten. Sie hat arbeitsrechtliche Konsequenzen gezogen für diese eine Person. Das war ein richtiges und wichtiges Zeichen in die Organisation:” Ich vertraue euch, jedoch Missbrauch wird konsequent geahndet”. Das zeigt Führungsstärke und gibt den Mitarbeitenden Sicherheit.

Vertrauen ist ein Zeichen von Stärke

Einer meiner wichtigsten Werte ist Vertrauen und bei mir genießen die Menschen in meinem Umfeld dieses auch. Doch ich neige gelegentlich zum Micromanagement. Als stark ergebnisorientierte Person ist für mich nichts schlimmer als Hindernisse, die ausbremsen. Am meisten ärgern mich nicht eingehaltene Prozesse und damit verbunden: vermeidbare Fehler. Seit ich meine Organisation neu aufgestellt habe, delegiere ich mehr – nein, nicht Aufgaben – sondern Verantwortung. Damit geht es mir und meinen Mitarbeitenden besser. Wenn ich heute das Gefühl habe, ich werde zu micro gebe ich meine Gedanken an meine Führungspersonen weiter und lasse sie entscheiden, was sie damit tun. Und ich lege eine kurze Pause ein, gehe spazieren oder meditiere. Das lähmt meinen Drang, zu kontrollieren und stärkt mich im Loslassen.

Mikromanager verbrennen die kompetentesten Talente, die das Unternehmen eigentlich nach oben bringen.

Gute Mitarbeiter gehen in die innere Kündigung, wenn ihnen ständig der Boss vorschreibt, was sie tun sollen. Sie benötigen Rahmenbedingungen, innerhalb derer sie eigenverantwortlich agieren können. Niemand braucht jemand, der bei jeder Kleinigkeit über die Schulter schaut, akribisch Ergebnisse kontrolliert und alles in Frage stellt, was nicht von ihm stammt. Micromanagement bedeutet nicht mehr Kontrolle, sondern der Aufbau einer Mauer des Misstrauens. Ergebnis: Misstrauen sorgt für Verluste an Einfluss, Beziehungen und der eigenen Glaubwürdigkeit. Es beginnt eine Abwärtsspirale. Denn motivierte Mitarbeitende verlieren ihren Flow, Fingerpointing nimmt zu, um sich selbst zu schützen, es passieren mehr Fehler, die Stimmung wird schlechter, die Produktivität sinkt, High-Performer kündigen.   

Wir empfehlen eine gesunde “Fehlerkultur” bei der es nicht darum geht, wer und warum ist was passiert, sondern: was ist passiert und wie können wir diesen Fehler in Zukunft vermeiden? Dazu gehört auch, sich nicht nur auf die Misserfolge zu fokussieren, sondern sich immer wieder bewusst zu machen, was läuft richtig gut? Auch die Verhältnismäßigkeit ist wichtig.   

Praxisbeispiel: Ein neuer Vertriebsleiter hat sich jeden Monat über acht bis zwölf Kundenbeschwerden echauffiert und sein Innendienstteam in den Senkel gestellt. Sowohl verbal als auch in E-Mails à la: „Kunde X hat schon wieder das Falsche geliefert bekommen“, „Warum ist die Ware erst heute ausgeliefert worden?“, etc. Er hat täglich die Lieferstati überprüft, statt sich um wichtigere Themen wie Kundenbesuche und -entwicklung zu kümmern.

Nach unserer Analyse im Rahmen eines Leanmanagement-Projektes stellten wir verschiedenes fest:

  1. Von den Reklamationen waren mindestens die Hälfte Bestellfehler des Kunden  
  2. Bei täglich 420 – 600 Bestellungen ist die Beschwerderate mehr als gering  
  3. Mindestens ein Drittel der Beschwerden sind auf mangelnde Informationen des Vorgesetzten an sein Team entstanden  
  4. Der Rest waren tatsächlich Flüchtigkeitsfehler, die kaum zu vermeiden sind bei der Taktzahl  
  5. Die Gesamtperformance war hervorragend, die Kundenumfrage ergab einen Wert von 98 Prozent zufriedene Kunden  

Im Coaching kam der Vertriebsleiter in die Reflektion und änderte sein Verhalten. Ihm halfen als extrem erfolgsgetriebener Mensch die Zahlen, Daten und Fakten. Aber auch das Gespräch mit seinem Innendienst-Team, in dem er Vertrauen gewann und sich selbst weniger unter Druck setzte. Ansonsten hätte er bald Teile des Teams verloren. Und er selbst wahrscheinlich auch seinen Job. 

Karin Bacher Consultants
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